Ad Notam

Betriebswirtschaftliche Informationen
November 2024

Dr. Myriam Roth

Dipl. Kffr. Dr. Myriam Roth,
LL.M. (corp. restruc.)

Liebe Leser,

die 19. Shell Jugendstudie – Jugend 2024 vom 15. Oktober 2024 zeigt, dass die Angst vor Krieg in Europa und die Sorge um die wirtschaftliche Lage bei den 12 bis 25 – Jährigen, vor Kurzem noch als Friday-for-Future-Generation bezeichnet, das Thema Klimaschutz in den Hintergrund gedrängt hat. Die Brisanz dieses Themas für Unternehmen wurde jedoch demgegenüber in den letzten Monaten sehr deutlich. Dies gilt nicht nur, weil die regulatorischen Anforderungen immer strenger werden und der Kreis, der von der Regulatorik Betroffenen mit jedem Jahr größer wird. Es gilt vielmehr, weil Klimaschutz und Nachhaltigkeit strategische Chancen für Unternehmen eröffnen.

Der designierte Präsident der Helmholtz Gemeinschaft, Dr. Martin Keller, hat im Oktober erklärt, dass sich Deutschland weltweit an der Spitze der Wissenschaft im Blick auf die Entwicklung nachhaltiger wettbewerbsfähiger Energieträger befinde. Damit ist zwar nicht gesagt, dass die Lösungen für eines der zentralen Themen der Nachhaltigkeitsdiskussion schon kurzfristig verfügbar sein werden. Aber dieses Statement eröffnet eine positive Perspektive!

Bei der notwendigen Ausrichtung von Geschäftsmodellen sollte dieses wissenschaftliche Potential als Chance dafür gesehen werden, dass auch zukünftig positive Entwicklungen möglich sind.

Ihre
Dr. Myriam Roth

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TRANSFORMATION

NACHHALTIGKEIT: STRATEGISCHES MUSS BEI DER GESCHÄFTSMODELLENTWICKLUNG

In einer sich ständig verändernden Welt ist es für Unternehmen unabdingbar, sich fortlaufend zu hinterfragen und unter Umständen auch neu zu erfinden. Die Neuausrichtung des Geschäftsmodells ist dabei heute zwingend mit den Erfordernissen der Nachhaltigkeit abzustimmen. Und dies nicht nur, um den umfassenden Berichtspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit zu genügen! Ohne eine nachhaltige Perspektive wird eine anhaltende positive Unternehmensentwicklung zukünftig nicht mehr möglich sein.

Die Bedeutung eines solchen Erneuerungsprozesses lässt sich anhand der aktuellen Transformation des Automobilsektors in Deutschland beobachten. Bei den großen Automobilherstellern, die das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen, schrumpfen die Absatzzahlen, insbesondere im wichtigsten Exportmarkt China. Dort werden 25 % der neu zugelassen Autos bereits rein elektrisch angetrieben. Tendenz: Schnell steigend! Die Margen der Hersteller aus Deutschland erodieren und die Aussichten sind herausfordernd. Drastische Ergebniseinbrüche werden berichtet. Die Technologie der Verbrennertechnik steht massiv unter Druck. Und das EU-Parlament besiegelte für Europa das faktische Ende des Verbrennungsmotors ab 2035 im Februar 2023. Diese Entscheidung soll zwar 2026 noch einmal in Brüssel überprüft werden, aber das Ziel der Bemühungen um eine nachhaltige Verkehrsentwicklung in der EU erscheint klar: Dem Klimaschutz wird Priorität eingeräumt. Und das Ende des Verbrennungsmotors erscheint damit aktuell als Faktum, das massive Auswirkungen in der gesamten Wertschöpfungskette der Automobilindustrie hat. Die in Deutschland hochentwickelte Verbrennertechnologie, so der Eindruck, hat in Asien und, nach dem Willen der EU, auch in Europa mittelfristig keine Zukunft mehr.

Die in der öffentlichen Diskussion breit diskutierte krisenhafte Entwicklung der Automobilindustrie verdeutlicht exemplarisch den Zwang in den Unternehmen zur Transformation und das Ausmaß der erforderlichen Veränderungen für die betroffenen Unternehmen. Die angestrebten oder auch erzwungenen Veränderungen sollten mindestens die regulatorischen ESG-Vorgaben in der EU

im Fokus haben: Neben den sechs Umweltzielen der seit Juli 2022 anzuwendenden EU-Taxonomie-Verordnung (VO EU 2020/852) gilt es die am 5. Januar 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting, Directive (CSRD)und die entsprechenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu beachten. Daneben existiert bereits seit 2019 die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) mit dem Ziel, Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen bzw. Wirtschaftstätigkeiten zu lenken.

Im Sommer 2024 wurde dann in der EU die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) verabschiedet, die die aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) bekannten Vorgaben in einigen Bereichen noch einmal erweitern. Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), der seit Oktober 2023 die Verlagerung von Treibhausgasemissionen verhindern soll. Diese Regelungen sind schließlich alle vor dem Hintergrund der 2012 in Rio de Janeiro verabschiedeten 17 Umweltziele der UN zu sehen, die den Rahmen für die legislativen Aktivitäten der EU für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung abstecken. Wenn dann auch noch die zunehmende gesellschaftliche Relevanz von ESG-Themen betrachtet wird, zeigt sich, dass Nachhaltigkeitsaspekte zwingend bei der Anpassung der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen sind.

Auch wenn die genannten Regelungen bei kleinen und mittleren Unternehmen, den KMU, heute noch nicht in vollem Umfang angewendet werden müssen, sollte kein Zweifel daran bestehen, dass diese Unternehmen nur noch einen befristeten Aufschub bekommen. Und es sind schon heute nicht wenige Fälle bekannt, in denen große Kunden von ihren Lieferanten, die der Regulatorik noch nicht unterliegen, gleichwohl verlangen, regelkonforme Nachweise zu erbringen. Das ist dann die normative Kraft des Faktischen! Es ist unwahrscheinlich, dass sich dort, wo die Regulierung der Nachhaltigkeit heute schon gilt, langfristig die Verfechter einer weniger strengen Anpassung durchsetzen, die heute im Blick auf unsere bedrohte Wettbewerbsposition vor einer Nachhaltigkeitsfalle warnen.

Die Fragen der Nachhaltigkeit gehören deshalb auf die Agenda in allen Unternehmen! Was bedeutet das für das Geschäftsmodell der Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit bisher nicht im Fokus hatten? Über Geschäftsmodelle nachzudenken bedeutet, sich Klarheit über 4 Kernbereiche unternehmerischer Tätigkeit zu verschaffen:

Wer ist der Kunde? Was wird dem Kunden angeboten? Wie wird das Produkt / der Nutzen für den Kunden hergestellt? Und, für den Unternehmer und das Unternehmen entscheidend: Wie wird der Ertrag erzielt? Die Vorstellung, nur die Herstellung der Produkte auf ESG-Konformität hin umzustellen, greift jedoch zu kurz. Denn es gilt zu hinterfragen, ob meine Kunden (schon?) bereit und willens sind, ESG-konforme Produkte zu kaufen? Existieren die Produktionskapazitäten und -ressourcen in ausreichendem Maße? Beherrscht man die veränderten Prozesse? Und: Kann mit neuen Produkten, neuer Technologie und möglicherweise neuen Kunden immer noch (oder wieder!) ein auskömmlicher Ertrag erzielt werden?

Insbesondere die ersten drei Fragen erhalten im Blick auf die Anforderungen der Nachhaltigkeit besonderes Gewicht. Wenn der Unternehmer sich beispielsweise ein Net-Zero-Ziel setzt und dieses auch erreicht, aber auf dem Weg zum Ziel relevante Kunden verliert, riskiert er unter Umständen seine wirtschaftliche Existenz. Und was ist, um ein anderes Beispiel zu betrachten, mit Unternehmen, die aufgrund technologischer Gegebenheiten Nachhaltigkeitsanforderungen bei besten Absichten und aufgrund objektiver

Umstände heute und in einer unbestimmten Zukunft (noch) nicht erfüllen können? Diese Risiken und technologischen Beschränkungen dürfen Unternehmen im Blick auf die regulatorische Entwicklung im Bereich der Nachhaltigkeit dennoch nicht dazu verführen, das Thema Nachhaltigkeit bei der Überprüfung des Geschäftsmodells zu vernachlässigen. Einzelne Aspekte mit Nachhaltigkeitsbezug sind bei der Suche nach Antworten auf die vier oben gestellten Fragen immer relevant. Diese Aspekte zu identifizieren, sie zu quantifizieren und zu priorisieren ist die Herausforderung. Marktrelevanz und Wettbewerbsstärke der Unternehmen werden zukünftig entscheidend auch von diesen Aspekten abhängen.

Sich diesen Herausforderungen bewusst und aktiv zu stellen, ist eine Chance, die ergriffen werden muss. Dass dieser Transformationsprozess erhebliche wirtschaftliche Belastungen und im Einzelfall auch heute noch unabsehbare technologische Herausforderungen mit sich bringt, darf aber nicht verschwiegen werden.

Das größte Risiko besteht aber darin, das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensentwicklung zu ignorieren. (JPA/MR)

STRATEGIE

ÜBER DIE MÖGLICHKEIT DER ERGEBNISVERWENDUNG IN DER GMBH

Grundsätzlich gilt in einer GmbH, dass der Jahresüberschuss nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile an der GmbH zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt wird (§ 29 GmbHG). Dieses Regelstatut erweist sich aber nicht immer und nicht für alle Fälle als geeignet, um den Interessen der Gesellschafter gerecht zu werden. Für diese Fälle sieht § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG ausdrücklich eine Öffnungsklausel vor, nach der auch andere Maßstäbe der Verteilung festgelegt werden können.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es immer wieder Schwierigkeiten gegeben hat, derartige von der Satzung abweichende und zwischen den Gesellschaftern vereinbarte Verteilungsregelungen auch steuerlich gegenüber der Finanzverwaltung durchzusetzen. Und zwar unabhängig davon, ob diese abweichenden Verteilungsregeln nur für einen Einzelfall oder als Dauerlösung vereinbart wurden.

Dies führte nicht selten zu Diskussionen mit der Betriebsprüfung und in der Folge dann auch zu Verfahren vor den Finanzgerichten. Kern dieser Diskussionen waren regelmäßig zwei Fragen. Einerseits die Frage, wie die abweichende Gewinnverteilung beschlossen wurde und andererseits die Frage, ob die abweichende Gewinnverteilung auch in der Satzung verankert worden ist.

In einem Urteil vom 28.09.2022 hat der Bundesfinanzhof sich nun erneut zur Zulässigkeit einer abweichenden Ergebnisverteilung bei einer GmbH geäußert. Zu unterscheiden sind dabei die disquotale und die gespaltene Ergebnisverteilung. Während im ersten Fall das Ergebnis eines Geschäftsjahres abweichend von den Beteiligungsquoten verteilt wird, betrifft die zweite Variante den Fall, dass ein(zelne) Gesellschafter in einem Jahr ganz oder teilweise auf die ihm/ihnen anteilsmäßig zustehende Ergebnisausschüttung verzichten will/wollen. Für beide Gestaltungsvarianten kann es in Abhängigkeit von der Gesellschafterstruktur und der Situation des Unternehmens vielfältige Gründe geben.

Besonderes Augenmerk sollte bei einer gespaltenen Ergebnisverteilung auf die Frage gelegt werden, wie der „stehengelassene“ Gewinn bei der GmbH erfasst wird. Grundsätzlich ist es denkbar, diesen auf ein dem Gesellschafter zugeordnetes Gewinnvortragskonto zu buchen oder ein dem Gesellschafter

zugeordnetes Gewinnrücklagenkonto einzurichten. In jedem Fall, das sollte allen Beteiligten klar sein, unterliegen diese nicht entnommenen Ergebnisanteile in vollem Umfang dem Verlustrisiko der GmbH. Als ein Vorteil einer gespaltenen Ergebnisverteilung ist aber festzuhalten, dass auf den „abgespaltenen“ Ergebnisanteil keine Kapitalertragsteuer abzuführen ist, wodurch sich der positive Liquiditätseffekt aus dem Verzicht auf eine Ausschüttung verstärkt. Im Blick auf die disquotale Ergebnisverteilung gilt das Augenmerk demgegenüber insbesondere möglichen Schenkungstatbeständen in den Fällen, in denen es keine nachvollziehbare sachliche Begründung für den Verzicht eines Gesellschafters zu Gunsten eines anderen Gesellschafters gibt.

Die Finanzverwaltung stand derartigen Gestaltungen bisher kritisch gegenüber und hatte ihre Position zu diesen Fragen in einem Schreiben v. 17.12.2013 auch niedergelegt. Als Reaktion auf die o.g. Entscheidung des BFH hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben v. 04.09.2024 seine Position gegenüber der disquotalen und gespaltenen Gewinnverwendung neu formuliert. Entscheidend ist es danach, dass in den Fällen, in denen ein von der bestehenden Satzung abweichender rechtlicher Zustand mit Dauerwirkung begründet werden soll, „bei der Beschlussfassung alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gemäß §§ 53 Abs. 3 S. 1, 54 Abs. 1 GmbHG“ eingehalten werden. Für den Fall einer abweichenden Gewinnverteilung für ein einzelnes Geschäftsjahr soll es demgegenüber für die steuerliche Anerkennung darauf ankommen, dass der Gesellschafterbeschluss von allen Gesellschaftern gefasst wurde und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann. Auf eine notarielle Beurkundung wird hier nicht abgestellt.

Es empfiehlt sich, diese Optionen bereits bei der Satzungsgestaltung zu berücksichtigen. Und bei später angedachten oder notwendigen Änderungen mit Dauerwirkung dürfen diese formalen Anforderungen nicht unberücksichtigt bleiben. Für den Einzelfall bleibt zu prüfen, ob es sich, auch mit Blick in die Zukunft, wirklich nur um einen Einzelfall handelt. (OR)

AUS REMSCHEID I RÜCKBLICK

SUPPENTALK AM 6. JUNI 2024 – NACHFOLGE

Nachfolgeprozesse lösen Stress aus! Und Stress verändert unsere Wahrnehmung. Diese veränderte, die Psychologie spricht von „verengte“ Wahrnehmung hat wiederum Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten. Uta Frahm, Dipl.- Psych. und Geschäftsführerin des Frahm Institut in Hamburg, führte anschaulich durch die Untiefen von komplexen Entscheidungsprozessen und zeigte an ausgewählten Beispielen aus der Praxis auf, wie und warum Nachfolgeprozesse losgelöst von betriebswirtschaftlichen Fragestellungen gelingen oder scheitern können. Ein wesentlicher Aspekt, so offensichtlich und doch so oft auch unberücksichtigt, ist dabei der Faktor Zeit. Zeitmangel in Nachfolgeprozessen verstärkt den Stress und beeinträchtigt Verfahren und Ergebnis von Nachfolgeprozessen. Kommunikation nach innen und außen ist von besonderer Bedeutung: Interessenten für das eigene Lebenswerk zu gewinnen, ohne langjährige Weggefährten im Unternehmen, bei den Kunden oder Lieferanten zu verlieren, ist eine Kunst im Spannungsfeld zwischen notwendiger Vertraulichkeit und gebotener Offenheit. Und zuletzt auch die Frage: Was kommt danach? Es ist mehr als nur gewonnene Freizeit und ein finanzielles Polster, was unser Leben verändert. Eine solche Entscheidung verändert unsere Persönlichkeit! Abschied zu nehmen und ihn auch so zu vollziehen, dass er keinen Schaden bei den Betroffenen anrichtet, ist die Kunst.

von Links: Dr. Myriam Roth, Uta Frahm

Dinge nicht zu tun, weil sie schwierig sind, ist keine Option. Auch und gerade nicht im Bereich der Nachfolge. Die Schwierigkeiten zu (er)kennen, ist entscheidend!

An dieser Stelle noch einmal herzlicher Dank an alle, die die Mittagspause mit uns geteilt haben und insbesondere an Uta Frahm für die anschaulichen und nachdenklich machenden Ausführungen.